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Archivnachrichten 01/2017 (Seite 32-34)
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Zurück zum rechten Glauben
Als am 21. August 1604 der Kanzler Faust den versammelten Rats- und Gerichtsmitgliedern von Oberursel verkündet, der Kurfürst und Erzbischof von Mainz, Johann Schweikhard, erkläre sich schuldig und verpflichtet, seine Untertanen auf d i e Wege zu leiten, auf welche auch er selbst seine ewige Seligkeit zu erwirken hoffe,‘ da war offenbar, was die Bewohner von Oberursel schon seit Monaten befürchtet hatten: Sie sollten gezwungen werden, zum alten ‚wahren‘ katholischen Glauben zurückzukehren.
Der lutherische Pfarrer Johannes Phildius, Caplan Hartmann Bulmann und der Rektor der Lateinschule, Konrad Flick, sollten sofort Predigt und Unterricht einstellen. Aus der Stadt sollten sie in Kürze ausziehen. Ein katholischer Pfarrer, Conrad Diel, wurde eingesetzt und am folgenden Sonntag hatten alle Einwohner zum Gottesdienst nach altem Ritus zu erscheinen. In das Kirchenbuch schrieb der Pfarrer ein: „Nachdem im Jahre des Herrn 1604 am 10. Sonntag nach dem Trinitatisfest, welches war der 22. August und der 8. der Auffahrt der Jungfrau Maria, die Urseller Kirche wieder hergestellt worden war, ist solche von der lutherischen Ketzerei, durch welche sie beinahe 80 Jahre vergiftet worden war, zum wahren katholischen Glauben zurückgeführt worden.“ [Korf, 1902, S. 122]
Links: Johann Schweikard von Kronberg, Erzbischof und Kurfürst in Mainz von 1604 - 1626, Landesherr des Amtes Königstein mit Oberursel. (unbekannter Maler)
Rechts: Grabplatte des Johannes Phyldius in der Ev. Kirche von Essingen/Pfalz. Bis zu seiner Ausweisung im Herbst 1604 von 1577 an Rektor der Lateinschule, Caplan, schließlich Pfarrer in Ursel. Er starb 1617. (Foto: M.Kopp)
Bereits drei Tage nach der Wahl Johann Schweikhards von Kronberg in sein Amt am 17. Februar des Jahres hatten drei Abgesandte aus Ursel dem neuen Landesherrn eine Supplikation überbracht. Darin erklärten die Bittsteller; „Wollen uns auch gegen Euer Churfürstliche Gnaden in allen weltlichen Dingen als gehorsame und getreue Untertanen erzeigen und verhalten.“ Ihre Bitte aber geht dahin, die Bewohner bei der Augsburgischen Confession gnädigst verbleiben zu lassen.
Sie argumentieren mit den heiligen Kirchenvätern, dass man in Religionssachen niemand zwingen oder bedrängen solle.
Tertullian (160-220 n.Chr.): Es ist für Menschen recht und billig und der natürlichen Vernunft gemäß, dass ein jeder Mensch seinen eigenen Gottesdienst haben mag oder glauben, was er will, denn es schadet keinem eines anderen Religion oder Glaube. Es gebührt auch keiner Religion, zur Religion zu zwingen. Die soll willig angenommen werden, nicht mit Gewalt, weil auch die Opfer von einem gutwilligen Gemüt gefordert werden. Gott begehrt keine Opfer von den Unwilligen.
Gregor von Nazianz (330-390 n.Chr.): Es will uns nicht gebühren, jemand zum Glauben zu zwingen. Das Geheimnis der Seligkeit beruht auf Freiwilligkeit, nicht auf Zwang.
Chrysostomus (350-407 n.Chr.): Christus spricht: Wer mir will nachfolgen. Er zwingt nicht. Er lässt einem jeden seinen Willen, er mahnt nur.
Cyprian (200-256 n.Chr.) auf dem Konzil von Karthago: Ein jeder mag seine Meinung anzeigen. Wir wollen niemand beurteilen oder jemand von den Rechten der Gemeinschaft ausschließen, weil er anderer Meinung ist. Es soll sich auch kein Bischof über den anderen erheben, oder mit Schrecken seine Amtsgenossen zum Gehorsam nötigen. Wir sollen nicht urteilen, sondern das Urteil unseres Herrn Jesu Christi erwarten, der allein alle Gewalt hat.
Die Unterschrift nennt die „untertänigsten, gehorsamsten Bürger und ganze Gemeinde zu Ober Ursel, Gemeinde zu Bommersheim (… und es folgen neun weitere Gemeinden der Umgebung.)[StA Würzburg, Mainzer Urk. Geistl. Schrank 20, Lade 12]
Eine Antwort erhielten die Bürger nicht. Das Schreiben wurde schroff zurückgewiesen. Sie sollten sich unterstehen, dem Kurfürsten zu sagen, was er zu tun habe.
Zitat aus der Bittschrift der Urseler Bürger vom 10.August 1604 mit der Argumentation zum gemeinsamen Glauben. [StA. Würzburg, Mz. Urkunden, Geistlicher Schrank 20, Lade 12]
Ein halbes Jahr später richteten die Bewohner der Stadt eine erneute Bittschrift an ihren Landesherrn. Andere Orte waren gezwungen worden, sich den Befehlen des Kurfürsten in Sachen „Religion“ zu fügen. „… wollen wir abermals unser untertänigstes und um Gottes Willen demütigstes Bitten und Flehen vorbringen, Euer churfürstliche Gnaden wollen die von uns erkannte und bekannte Augsburgische und dem Wort Gottes gemäße Religion sowohl bei uns als auch bei unseren Nachkommen gnädigst schützen.
Es folgen wieder Argumente, die überzeugen sollen: „Welches denn Eure churfürstliche Gnaden unseres Erachtens mit unbeschwertem Gewissen tun können, weil wir einerlei Glauben, Taufe, Buße, Abendmahl, Gebet und zehn Gebote mit der Katholischen Apostolischen Kirche nach Befehl Gottes und Christi glauben und bekennen. So viel als möglich richten wir unser Tun und Lassen danach. Die Unterschiede liegen nur in mündlich überlieferten Regelungen. Außerdem hat die Römische Kaiserliche Majestät selbst die Ausübung unserer Religion anerkannt.“ [StA Würzburg, Mainzer Urk. Geistl. Schrank 20, Lade 12]
Wieder erhielten die Bittsteller keine Antwort, vielmehr den Befehl, sich in Zukunft weiterer Supplikationen zu enthalten. Der Kurfürst werde in dieser Sache tun, was er vor Gott verantworten könne. Er äußerte auch den Verdacht, in Oberursel gebe es heimliche Beratungen mit konspirativen Zielen. Der Oberamtmann in Königstein solle ein wachsames Auge auf verdächtige Vorgänge haben. Dessen Rat, doch mehr Zeit für Überzeugungsarbeit zu lassen, fand kein Gehör. Am 21. August 1604 wurde der Befehl zur Wiederherstellung des wahren katholischen Glaubens in Oberursel proklamiert. Johann Schweikhardt, der dies zunächst persönlich tun wollte, war aber verhindert und KanzlerFaust mußte an seiner Stelle handeln. Vom folgenden Tag an gab es nur noch katholischen Gottesdienst, Beichte und Communion und einen Unterricht in der Lateinschule von einem katholischen Lehrer, der in den Monaten zuvor in Frankfurt noch eine Anstellung als evangelischer Pfarrer gesucht hatte.
Als Oberurseler Bürger war Cornelius Sutorius in alle diese Vorgänge involviert. Wir können davon ausgehen, dass er mit seinem großen Wissen und seiner umfassenden Bildung bei der Abfassung der Bittschriften mitgearbeitet hat. Er war wie viele seiner Autoren an einem friedlichen Nebeneinander der Konfessionen interessiert. Keine sollte sich über die andere stellen und kein Herrscher sollte seine Untertanen in Sachen des Glaubens zwingen.
Links: Zitat aus dem Antrag des Cornelius Sutorius auf Erteilung eines Privilegs für das revidierte Artzneybuch des Christoph Wirsung vom 11.März 1605.
Rechts: Titelblatt zum Artzneybuch (UD 394) mit dem Privilegienvermerk über dem Druckersignet.
Um seine Seriosität zu stärken richtete er am 11.März 1605 ein Gesuch um ein Privileg an Kaiser Rudolf II. Er schreibt:
„Die Römisch Kaiserliche Majestät, unsern allergnädigsten Herrn, erinnert hiermit Cormelius Sutorius, Kurfürstlich Mainzischer Buchdrucker zu Ursell, nachdem er das Artzneybuch Christoph Wirsungs (das neulich durch den hochgelehrten Peter Uffenbach, bestellten Medicum zu Franckfurt am Mayn in vielen unterschiedlichen Orten an Artzneygewichten, Text und neue Zuordnungen merklich … verbessert worden) nicht allein mit großen Unkosten an sich gebracht, sondern auch noch viel zur Vorbereitung des Drucks aufgewendet, sich aber des schädlichen Nachdrucks vielfältig zu erwehren hätte, dadurch er dann in gänzliches Verderben geraten würde, also bittet obengenannter Cornelius Sutorius aller underthänigst und flehentlichst Ihre Kaiserliche Majestät, ihm auf genanntes Artzneybuch aus kaiserlicher Gnade ein Privileg auf 15 Jahre allergnädigst zu erteilen, damit er seiner aufgewendeten vielfältigen und hohen Kosten auch wieder etwas genießen und in künftig Zeiten den guten Künsten ferner und fürderhin Assistenz zu erweisen möchte.“ [Wien, Haus-,Hof- und Staatsarchiv, Impressorien Fz.70, Bl. 188ff.]
Am 16. Juni 1605 wird ihm und seinen Erben das Privileg auf acht Jahre erteilt. Selbstbewußt kann er auf dem Titelblatt die Zeile einfügen: „Mit Röm. Kays. Mayest. Freyheit auff acht Jahr.“ (UD 394)
Gleichzeitig signalisiert die Widmung des Artzneibuches an Margarete Brömserin von Rüdesheim, geborene vom Haus Cronberg, Gemahlin des Oberamtmanns Johann Reichard, neue Schwierigkeiten: Ihr Ehemann war gerade vom Kurfürsten wegen seiner umgänglichen Haltung im Prozeß der Rekatholisierung zum Vicedom in Mainz „wegbefördert“ worden. Ein Nachfolger, der konsequent der strengen Linie des Kurfürsten folgte, hatte seinen Dienst am 7.März 1605 in Königstein aufgenommen: Johann Eberhard Köth von Wahnscheid. "Der Kurfürst hatte in ihm den rechten Mann ausfindig gemacht, der Religionsumwandlung kräftige Impulse zu geben" [Stöhlker, S.43]
Der nächste Schritt war dann, den offensichtlichen Konsens der Einwohner zu sprengen. Einzeln sollten alle männlichen Personen befragt werden. Am 23. September 1605 hatten alle Bürger zu erklären, ob sie sich katholisch einstellen und an Allerheiligen zur Kommunion gehen, oder ob sie das Recht zur Auswanderung gemäß den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens wahrnehmen.
Zitat aus dem Protokoll zur Bürger-Befragung vom 23. September 1605, hier Cornelius Sutorius betreffend. [StA. Würzburg, Mz. Urkunden, Geistl. Schrank 20, Lade 12]
Auch Cornelius Sutorius gibt seine Erklärung zu Protokoll: Er will nicht von seinem Glauben abweichen und fristgerecht ausräumen. Das har er bereits dem Nicodemus (Ulner), Pfarrer an der Peterskirche in Frankfurt, versprochen. Grund für diese folgenreiche Entscheidung war zwar auch seine Verbindung zur lutherischen Tradition, aber besonders die Aussicht darauf, mit seiner Werkstatt neben dem evangelischen Frankfurt nur noch eine streng katholische Lohndruckerei in Oberursel betreiben zu dürfen, wird ihn zur Aufgabe seines Unternehmens veranlasst haben.
Die nächsten Monate wollte er auf jeden Fall nutzen, nicht nur die vorhandenen Druckaufträge abzuwickeln, sondern auch eine Lösung für seine weitere Drucker- und Verlegertätigkeit zu finden.
© 2024 - Manfred Kopp