Gedruckt zu Ursel

Der unfreiwillige Auszug

Die besonderen Arbeitsbedingungen für Buchdruck und Buchhandel, wie sie Cornelius Sutorius in Ursel zwischen Königstein und Frankfurt im Jahre 1597 vorgefunden und genutzt hatte, waren verloren gegangen. Sie waren auch nicht in einem schnellen Ortswechsel zu ersetzen. Dazu kam der Zeitdruck im Blick auf den befohlenen Auszug: Martini 1605 (11.11.)
Ein weiteres Hindernis für Sutorius war auch, dass die Kosten für die bedruckten und bezahlten (Löhne, Papier), aber noch nicht verkauften Druckbogen nur langfristig wieder rekapitalisiert werden konnten. Er hatte viel investiert und derzeit hohe Schulden.
Zunächst mußten aber bestehende Vereinbarungen mit Verlegern und begonnene Vorhaben ausgeführt werden. Im Jahr 1605 erschienen drei Werke auf Kosten des Verlegers Johann Ludwig Bitsch, der selbst am 3. November verstorben war. Für ein weiteres hatte Johannes Berner den Druckauftrag erteilt. Im Zusammenhang der Kooperation mit den Kölner Kartographen stand Joseph Acostas „Neue Welt“ und Sutorius selbst brachte das gerade privilegierte Artzneybuch und B. Vogters „Compendium Medicum“ zur Herbstmesse auf den Markt.
Als der Urseler Schultheiß am 16. Oktober 1605 an den Kurfürst berichtet, dass Cornelius Sutorius seine Druckerei für 1.700 Gulden verkauft hat und nach Speyer ziehen will, scheint sich ein gangbarer Weg aufgetan zu haben. Der Kurfürst bestätigt die Nachricht, mahnt jedoch auch den Oberamtmann, streng darauf zu achten, dass Sutorius auch die fällige Nachsteuer bezahle. Wenn der in Speyer einen neuen Buchhandel beginnen wolle, müsse er auch eine nicht geringe Summe Geldes haben.
Dem war nicht so! Am 13. November berichtet der Oberamtmann, dass Sutorius beides nicht verwirklichen konnte: Weder den Verkauf der Druckerei noch die Niederlassung in Speyer.
Im Blick auf die bis dahin ausweglose Situation erklärt der Kurfürst am 19.11.1605 dem Oberamtmann: „Soviel den Buchdrucker daselbst ( Ursel) Cornelium Sutorium belangt, kann er, sofern er sich unserer Religion gemäß bezeugen wird, neben anderen Gehorsamen wohl da geduldet und gelassen werden. Wenn er aber beharrlich auf seinem Widersinn besteht, dann hast du unseren vorigen Befehl auszuführen und gegen ihn zu verfahren, wie gegen die anderen Ungehorsamen.“ [StA Würzburg, Mainzer Urk., Geistl. Schrank 20, Lade 12, Zu den Vorgängen: Prod. 116 - 120]


Ulenberg
Links: Caspar Ulenberg (1549-1617), Pfarrer am Stift Kaiserswerth und hier Übersetzer. Eiferer für die Gegenreformation.

Rechts: Titelblatt der überarbeiteten Auflage der „Psalmen Davids“, von Sutorius in Ursel gedruckt (UD 395), vom Komponisten Conrad Hagen dem Kurfürsten von Mainz gewidmet.

Cornelius Sutorius wollte nicht gehorsam sein, sich nicht unterwerfen. Er hoffte immer noch auf eine einverträgliche Regelung, die ihn nicht in eine konfessionelle Engführung zwang. Er hatte 1605 ein Buch gedruckt und ausgestattet, das den Kurfürsten als klar katholisches Werk günstig stimmen sollte. Es waren die „Psalmen Davids“, die Caspar Ulenberg (1549- 1617), Pfarrer und Kanoniker im Stift Kaiserswerth, ins Deutsche übertragen hatte. Conrad Hagen (1550 - 1616), Komponist und Musiker, hatte sie vierstimmig gesetzt und jetzt neu überarbeitet. 1589 war das Werk zum ersten Mal bei Albert Buyß in Düsseldorf gedruckt worden. Cornelius Sutorius kannte den Drucker, kannte Ulenberg und Hagen, weil er seinerzeit aus Kaiserswerth und Düsseldorf nach Frankfurt gekommen war. Bereitwillig schrieb Hagen eine Widmung an „den Hochwürdigsten in Gott/ Fürsten und Herrn/Herrn Johan Schweickharten/ Ertzbischoffen zu Maintz/des Heiligen Römischen Reichs durch Germanien, Ertzcantzlern und Churfürsten/meinem Gnädigsten Fürsten und Herrn“ und unterschrieb: Datum Ursellis Anno 1604. die Conceptionis Beatae Mariae Virginis (= 8. Dezember). In einem Wort an den „günstigen Leser“ weist Hagen(?) auf die Bedeutung für die Jugend und die Unterweisung in Glaubensdingen hin und gibt Anregungen zum Vortrag der Melodien. Hier heißt die Unterschrift (ohne Namen): „Data Vrsellis Anno 1606.“
Sowohl auf der Titelseite wie auf dem Druckvermerk am Schluss platziert Sutorius das reich geschmückte Wappen des Kurfürsten. Das Werk mit seiner klaren katholischen Prägung und repräsentativen Ausstattung sollte dem Fürsten gefallen und ihn hoffentlich zu einer finanziellen Zuwendung bewegen.


Notendruck
Der Druck ist repräsentativ gestaltet. Hier der Beginn auf S.6 mit reich geschmückten Initialen und der Druckvermerk am Ende mit dem großen Wappen des Kurfürsten (Expl. der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln.)

Der Versuch scheiterte kläglich. Im Konzept zum Schreiben an den Oberamtmann vom 7. Dezember 1605 heißt es in dieser Sache: „Wohl hat auch Cornelius Sutorius, Buchdrucker zu Ursel, ein deutsches Gesangbuch in Druck ausgehen lassen und beklagt jetzt laut seinen erlittenen Schaden. Weil er jedoch zu seinem Vorhaben weder Auftrag noch Genehmigung hatte, und ihm außerdem vom Domdechanten und Hofmeister bei einem Besuch in Ursel ausdrücklich abgeraten wurde, wird er seine aufgewandten Kosten und seinen Schaden nicht bei unserer ‚Cammer‘ (= Finanzbehörde), sondern bei sich selbst zu suchen wissen." [StA Würzburg, wie vor, Prod.122]
Im weiteren Schriftwechsel zwischen Königstein und Mainz/Aschaffenburg taucht der Name des Sutorius nicht mehr auf.
Verfolgt man die Formulierungen der Druckvermerke bei den Ursellis/Ursel-Titeln des Jahres 1606, so bildet sich der Auszug des Cornelius Sutorius deutlich ab. Heißt es zunächst wie bisher „Ex officina typographica Cornelij Sutorij“ (3x), oder „Gedruckt zu Ursel im Churfürstentum Meyntz durch Cornelium Sutorium“ (2 x), so wird bei UD 400 der Druck durch Cornelius Sutorius ausdrücklich genannt und mit dem kleinen Signet verstärkt. Der Zusatz „Prostat in Paltheniana Francof.“ weist darauf hin, dass der Druck in Frankfurt durch Zacharias Palthenius zum Kauf angeboten wird, nicht wie bisher von Sutorius.
Das zweibändige Werk des niederländischen Juristen Peter Gilkens ist mit 392 Bogen eines der umfangreichsten, an dem die Urseler Druckerei beteiligt war (UD 505Z). Der Druckvermerk lautet: „Vrsellis Maguntiae. E Collegio Musarum Paltheniano, 1606.“ Ob Sutorius als Kollege noch Mitglied der Druckergemeinschaft des Palthenius war, muß offen bleiben. Zeitgleich erschien das Werk auch in Frankfurt mit der gleichen Druckereibezeichnung.
Bei zwei weiteren Drucken im Verlag von Caspar Beller, Antwerpen, 1606, (UD 508Z, 509Z), steht im Kolophon „Vrsellis, Typis Cornelij Sutorij“. Presse und Schrifttypen sind noch vorhanden, aber der Eigentümer ist nicht mehr tätig.
In der Auseinandersetzung des Johann Baptist Caesar (alias Vespasian Rechtan) mit dem Frankfurter Rat wegen des „Judenspiegel“, den er In Ursel hatte drucken lassen (UD 399) wird der Bericht des Mosche zum Korb vom 1. August 1606 zitiert: ‚Es habe ihm Hirtz Jud zur Sonnen angezeigt, das der Buchdrucker zu Obern Ursell Cornelius Sutorius bei ihm gewesen sei und berichtet, der Jud zum Kalten Bad zu Mainz habe Einspruch beim Kurfürsten wegen des Buches „Judenspiegel“ erhoben. Dr. Caesar als Autor des Buches habe den fraglichen Bogen verändern wollen und ihn (Sutorius) beauftragt, 800 Bogen neu zu drucken und gegen die beanstandeten auszuwechseln.‘ [IfS Ffm. Nachlass G. Richter, S 6b/52, 4.2]
Dies ist die letzte Nennung des Cornelius Sutorius als handelnde Person. Es muß offen bleiben, ob er mit seiner Familie „unbekannt verzogen“ ist oder ob er starb. Auf jeden Fall verschwindet der bis zuletzt rastlos agierende Buchdrucker und -händler nach dem August 1606 spurlos!


Notendruck
Mitteilung über einen handschriftlichen Vermerk des Johann Bickerich zu den „Ausgezogenen“ im „Intelligenzblatt für die Provinz Oberhessen, Nr.22, 1843, ohne Fundstellenangabe.

Ein Nachtrag:
Am 4. März 1615 kauft Johannes Bickerich aus Bonames die „Chronica“ des Sebastian Franck. Bickerich gehörte zu den „Ungehorsamen“, die aus Ursel ausziehen mußten. Auf dem hinteren weißen Blatt des neuen Buches notiert er: „Anno 1605, den 8./3.November ist das Amt Königstein reformiert worden. Und hat Johann Schweickhardt, damals regierender Bischof zu Ursel geboten, den Papisten Glauben anzunehmen. Wer nicht innerhalb 14 Tagen ausgezogen ist, mußte 50 Taler Strafe zahlen. Und sind in Ursel ausgezogen mit Namen wie folgt. Gott verleihe uns allen seinen guten Heiligen Geist. Amen.“ Es folgen 29 Namen, darunter auch „Cornelius Buchtrucker“. Bis auf drei Personen, darunter Bickerich selbst, sind alle zu unterschiedlichen Zeiten mit einem Kreuz markiert worden, sind also inzwischen verstorben. Auch vor Cornelius steht ein Kreuz. War das schon 1606?
[Intelligenzbl. Für die Provinz Oberhessen, Nr.22, 1843. Außer dem Kürzel Dr.-g- keine Fundstellen angegeben.]


© 2024 - Manfred Kopp